Auf Selbstmordattentäter warten keine Jungfrauen
Dass Märtyrer, die im Kampf für den Islam oder bei dessen
Verteidigung zu Tode gekommen sind, direkt ins Paradies einziehen, ist im Koran
klar beschrieben. Aber gilt dies auch für Selbstmordattentäter? Islamische
Rechtsgelehrte streiten über die Attentäter. Mit einem überraschenden Ergebnis.
"Die Jungfrauen rufen nach euch", schrieb Mohamed
Atta noch wenige Tage vor dem 11. September 2001 seinen Mitattentätern.
Und Muhammad Abu Wardeh von der Hamas ködert seine menschlichen "smart
bombs" damit, dass Gott die Shahuda, wie Märtyrer auf Arabisch genannt
werden, im Paradies mit 72 Jungfrauen, 70 Plätzen für Familienmitglieder und
immerwährender Glückseligkeit belohnen werden. Ganz so einfach ist es aber für
den potenziellen "all-inclusive" Paradiesbewohner dann doch nicht.
Der Selbstmord ist
laut Koran "haram", also verboten.
Da es im Islam gegenwärtig weder eine dem Papst
vergleichbare Autorität gibt noch eine sonstige zentrale Auslegung der
religiösen Schriften vorhanden ist, herrscht Uneinigkeit innerhalb der
islamischen Jurisprudenz darüber, ob die Selbsttötung unter bestimmten
Bedingungen erlaubt ist oder nicht.
Sind Selbstmordanschläge durch den Islam gedeckt
Scheich Ahmad Yasin, Gründer der Hamas, Akram Sabri, Mufti
von Jerusalem, oder Yusuf al-Qaradawi, Chefideologe der Muslimbrüderschaft,
haben etwa Selbstmordanschläge gegen Israelis für notwendig und gerechtfertigt
erklärt.
Andere Rechtsgelehrte bezeichnen Selbstmordattentate,
insbesondere gegen Zivilsten, als Terrorismus. Der Großmufti von Saudi Arabien,
Abdullah Al asch-Schaich, etwa verurteilt jede Form von Selbstmordanschlägen
als unislamisch während Scheich Muhammad Sayyid Tantawi, Groß Imam der al-Azhar
Moschee in Ägypten und einer der einflussreichsten sunnitischen Rechtsgelehrten
zwischen Selbstmordanschlägen zur Verteidigung des Heimatlandes und dem Töten
von Zivilisten, Frauen und Kindern unterscheidet. Bei den Schiiten heißt der
Iran Selbstmordanschläge seit 1982 gut, während der irakisch-schiitische Groß
Ayatollah Yousof Sanei diese als "haram" und als Terrorakte
bezeichnet hat.
Die Strafe für
Selbsttötung ist laut dem Propheten Mohammed groß
Der potenzielle islamistische Selbstmordattentäter geht also
ein gehöriges Risiko ein. Die Strafe für Selbsttötung nach Überlieferung des
Propheten lautet nämlich, dass die Todesart, hier also das
sich-selbst-in-die-Luft-sprengen, bis in alle Ewigkeit im Höllenfeuer
wiederholt werden muss.
Und es kommt noch schlimmer. Nicht wenige Rekruten werden
mit der Aussicht auf paradiesische Sex-Orgien angelockt. Bereits im 9.
Jahrhundert warben Rechtsgelehrte wie al Ghazali und Al-Ash'ari mit den
Versprechungen auf die lustvolle Erfüllung männlicher Fantasien. Der 1505
verstorbene Al-Suyuti hat die sexuellen Ausschweifungen in einer Drastigkeit
beschrieben, die für einen religiösen Text seines Gleichen Sucht. Manche
Attentäter versuchen auch deshalb, Ihre Geschlechtsteile vor der Explosion
besonders zu schützen.
Wer will schon
Höllenqualen für einen Obstteller erleiden?
Einige Religionswissenschaftler stellen jedoch gänzlich in
Frage, dass mit den im Koran genannten "großäugigen Huris" überhaupt
Jungfrauen gemeint sind. Ein unter dem Pseudonym Christoph Luxenberg
arbeitender deutsche Koranforscher, hat unter der Herbeiziehung des
Aramäischen, der damals im Nahen Osten dominanten Sprache, ganz neue
Perspektiven geschaffen. Nach Luxenbergs Erkenntnissen meint der Koran mit
"Huris" nicht Jungfrauen, sondern "weiße, kristallklare
Trauben". In den Paradiesvorstellungen vieler Religionen gelten diese
Früchte als Sinnbild von Wohlleben und Behaglichkeit.
Quelle/Bron: DIE WELT, http://www.welt.de/politik/article1429665/Auf-Selbstmordattentaeter-warten-keine-Jungfrauen.html
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